Freitag, 30. Dezember 2011

Angst vor der Zukunft: Filmjahr 2011

Auch wenn dieses Blog langsam aber sicher seinem Ende entgegensiecht, ist immerhin auf eines noch Verlass, nämlich auf den Jahres-Filmrückblick.

Die TOP 5:
Platz 1: THE FUTURE (9/10)
Okay, ich war in einer schwierigen Lebensphase im Februar bei der Berlinale. Und ja, natürlich wäre auch ich gerne Miranda July, vor allem in ihren besten Momenten. Egal, "The Future" hat den Zahn der Zeit jedenfalls auf den Kopf getroffen und bei mir den richtigen Nerv. Unsere Generation, die Sinnsuche und das Alleinsein. Dazu gehören auch so wichtige Fragen wie: Wenn ich Angst vor der Zukunft habe, soll ich dann lieber gar nichts machen? Und wenn ich etwas Neues probiere, mache ich dann vielleicht nicht alles kaputt, was ich bisher hatte? Am Ende wusste ich gar nicht mehr, was eigentlich so traurig war, aber während des Films, als Jason sich nichts mehr wünschte als dass er die Zeit anhalten könnte, um die Wahrheit nicht hören zu müssen und seine Liebe zu behalten und er es dann auch konnte, nur eben leider nicht für immer, da weinte ich hemmungslos in die Schulter des Mannes, der neben mir saß, aber das ist eine andere Geschichte. [Spoileralarm!] Und als sie dann auch noch die Katze vergessen haben...[Spoilerende!]

Platz 2: HALT AUF FREIER STRECKE (9/10)
Juchu! Ein deutscher Film, wir kommen! Und es geht weder um Nazis, noch um Stasi. Es ist ein Film, der auch in jedem anderen Land hätte spielen können. Und es hat sich auch schon unzählige Male abgespielt, auch bei den Familien oder Freunden der Leute, die im Kino saßen. Viele trauern da über sich. Wieder musste ich weinen, diesmal aber nur ein kleines bisschen heimlich. Weil alles so echt war, weil man es kennt. Gleichzeitig auf 2 Stunden komprimiert, sodass man sich am Ende nur sagen hörte: Und so geht das normalerweise ein ganzes Jahr. Das Ende war das realste, was ich seit Langem im Kino gesehen habe und später hab ich dann auch gehört, dass das Mädchen, das die Lilly spielt, das so tatsächlich gesagt haben soll.

PLATZ 3: MELANCHOLIA (8/10)
Alle sind geteilter Meinung, aber ich als Dramen-Liebhaberin mit Hang zum Science Fiction und speziellem Interesse an Weltuntergang bin natürlich Fan. Ich mag ja am liebsten Endzeitfilme, in denen man nur die Auswirkungen auf die einzelne kleine Familie zeigt, Endzeitfilme, in denen Bruce Willis in einen Kometen fliegen muss, hasse ich natürlich auch (außer "Sunshine"). Was mich bei "Melancholia" aber doch verwundert hat, ist, dass ich den Weltuntergangsteil eigentlich viel blöder fand als den anderen Teil (ich fühle mich da sehr von Herrn von Triers Sicht auf das Leben als einzig richtige bevormundet. Und warum überhaupt wusste Kirsten Dunst, wie viele Bohnen, Linsen (?) in dieser Röhre waren?). Wobei sie komplementär zueinander natürlich wieder ganz toll funktionieren! Aber "Melancholia" hat es wegen der Hochzeit als schrecklichstem Tag des Lebens auf Platz 3 geschafft.

PLATZ 4: BLUE VALENTINE (7/10)
Ab hier beginnt die Liste in Ermangelung grandioser Filmmomente schon wieder zu bröckeln. In "Blue Valentine" hab ich mich nämlich auch mehrere Male geärgert. Eigentlich vermittelt der Film nichts weiter als die Erkenntnis, dass Liebe auf den ersten Blick nicht bedeutet, dass man wirklich zusammen passt. Die kontrastierte Erzählweise der beiden Zeitstränge hat mich am Anfang doch ziemlich gelangweilt, als müsste die Vergangenheit die Gegenwart erklären und das auf eine redundante Weise. Am Ende hat es dann aber irgendwie doch Sinn ergeben und die Geschichte bekam durch die Vergangenheit doch noch einen Mehrwert. Topp: Ryan Goslings Körper (Michelle Williams hat auch super gespielt), der Future Room, hahahaha, da will ich auch mal hin und ein guter Anmachspruch im leeren Bus: "Kann ich mich neben dich setzen, alle anderen Plätze sind besetzt."

PLATZ 5: TREE OF LIFE (6/10)
Ich hab lange hin und her überlegt, zumindest Andi wird jetzt ausrasten. Es war wirklich so, dass ich stinksauer aus diesem Film rausgekommen bin und nur noch rumgemeckert habe, wie sehr dieser Film meine Lebenszeit verschwendet hätte. Auf einmal steht der Film in den Top 5. Ich kann es auch nicht genau erklären. Ich halte "Tree of Life" für frauenfeindlich (diese blasse Dornröschen-Frau), ich finde er verschließt seine Augen vor den Problemen der Welt, er macht Dichotomien auf, die das Leben sowas von banalisieren, er ergeht sich in religiösem Kitsch! Oh Mann, ich werde schon wieder wütend. Was macht dieser Film hier? Mit etwas Abstand hatte ich auf einmal die Theorie, dass das nicht nur ein Film sein sollte, sondern ein performativer Akt. Ich lese ihn jetzt so, dass man stinksauer sein sollte, um dann in der sensiblen Geschichte in der Mitte das Gefühl von Kindheit wie eine Befreiung zu spüren. Ich glaube, das soll eine Katharsis sein. Falls nicht, ist dieser Film richtig scheiße!

Enttäuschung des Jahres:
BLACK SWAN (5/10): Der Film, auf den ich mich dieses Jahr am meisten gefreut hatte, war frauenfeindlich (schon wieder!). Nur ein böses Mädchen (böse = sexuell erfahren) kann natürlich den schwarzen Schwan spielen. Ahja, okay. Leider hat Aronofsky seinem Ruf bei mir nicht alle Ehre gemacht und die langweilige Ballettvorlage zu einer nur größeren Schwarz-Weiß-Zeichnung der Welt ausgebaut. Das wirkt veraltet. So kann man den Film eben nur als Märchen rezipieren. Oder eben als völligen Komplementärfilm zu "The Wrestler". Dann aber auch, was die Qualität betrifft...

Flop des Jahres:
Ich habe zwar durchaus noch ein paar schlechtere Filme dieses Jahr gesehen, bei der Berlinale zum Beispiel "Mein bester Feind", aber wenn sie schon wieder so dumm sind, dass sie nicht von Belang sind, dann sind sie auch nicht erwähnenswert. Also küre ich zum Flop des Jahres DIE HAUT IN DER ICH WOHNE (3/10). Klar, man muss das Ganze unter dem Label Almodóvar angucken, aber irgendwie war ich dann doch so genervt von der Aneinanderreihung abstruser Bewandnisse, dass ich nur noch distanziert war. Leider hat mich an dem Film nichts berührt und dass Identität nicht auf äußerer Erscheinung beruht, sondern darunter noch was anderes ist, ist eine ziemlich kleine Erkenntnis für zwei Stunden Film. Falls man es nicht ohnehin schon vorher weiß. Was wünschenswert wäre.

So, das wars. Ich fand das Jahr mhhkay. Hab schon Besseres und schon Schlechteres erlebt. Man ist wieder bei den richtig großen epischen Erzählungen angelangt, die wahrscheinlich die unbestimmte Angst aufgreifen, die unsere unsicheren Zeiten geboren haben.
Für 2012 gibt es immerhin eine erfreuliche Nachricht: Als Tatort-Kommissar wird Til Schweiger nicht mehr so viel Zeit haben, Kinofilme zu realisieren!
GUTEN RUTSCH!

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