Das erste halbe Jahr ist immer doof. Das erste halbe Jahr auf der Erde verbringt man mit Schreien, Heulen und dem Konsum viel zu süßer Milch. Das erste halbe Jahr im Kindergarten weint man, weil man zu seiner Mama will. Im ersten halben Jahr in der Schule langweilt man sich, weil die anderen Kinder die Buchstaben so langsam lernen. Im ersten halben Jahr in einer Beziehung weiß man nie, wie oft man den anderen anrufen darf, wie man sich jetzt noch den passenden Slip zum BH organisieren soll, den man schon vor zwei Jahren gekauft hat und ob das alles überhaupt eine so gute Idee war. Das erste halbe Jahr in der ersten eigenen Wohnung verbringt man damit, sich über teure Lebensmittelpreise und teure Mieten zu ärgern und über das Waschen und Putzen und darüber, dass man nicht mal mehr eine Geschirrspülmaschine hat. Im ersten halben Jahr an der Uni läuft man verwirrt durch die Gegend und versteht nicht, worum es in den Seminaren überhaupt geht. Und im ersten halben Jahr in einer neuen Stadt hat man keine Freunde. Als Schriftsteller hat man es eigentlich gut, wenn man keine Freunde hat, denn das, so heißt es, wirft einen zurück auf die eigene Kreativität. Und außerdem, das weiß doch jeder, hat jeder in Berlin Freunde.
Ich hab auch Freunde in Berlin, zum Glück. "Aber buhuuu, nicht so viele wie in Köln!" Und eine der Hauptaufgaben in einer neuen Stadt besteht darin, sein Sozialleben, das sich in der alten Stadt inzwischen gemütlich eingependelt hatte, sinnvoll neu zu strukturieren. Es ist nicht so einfach wie bei den Sims. Man bekommt nicht umso mehr Freunde, je öfter man einer Person Komplimente macht. Eher umso weniger. Mit wem kann man einfach so abhängen, weil man genug Gesprächsstoff für mindestens vier Stunden hat? Wen zum Kochen einladen, ohne dass man ein veganes Kochbuch anschaffen muss? Wer hat einen guten Filmgeschmack? Und wessen Zimmer ist groß genug, dass man nach dem Partymachen dort übernachten kann?
Nunja, ich will nicht jammern, auch wenn ich ein paar Pappenheimer hier sehr vermisse. Verflixte erste halbe Jahre haben ja auch ihre gute Seiten: Schnullis, Puppenecke, Schultüte, Verknalltsein, Freiheit, Ersti-Partys, alte neue und neue neue Freunde
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